Krankheitsspezifische Regelungen: Tumoren des Gehirns und der peripheren Nerven

Aktueller Status:

Die Konkretisierung zu Tumoren des Gehirns und der peripheren Nerven wurde am 16.12.2021 vom G-BA beschlossen und wird voraussichtlich im März/April 2022 in Kraft treten.

Beschluss beim GBA abrufen
Musterdokumente und Vorlagen für die ASV-Teilnahme (nur für Mitglieder)


Patientenzugang:

Die Konkretisierung umfasst die Diagnostik und Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Tumoren des Gehirns oder der peripheren Nerven ab dem vollendeten 18. Lebensjahr, bei denen entweder als Primärtherapie oder als adjuvante oder neoadjuvante Therapie eine Strahlentherapie und/oder systemische medikamentöse Tumortherapie indiziert ist, die einer interdisziplinären oder komplexen Versorgung oder einer besonderen Expertise oder Ausstattung bedarf.

Zur Gruppe der Patientinnen und Patienten mit Tumoren des Gehirns oder der peripheren Nerven im Sinne der Richtlinie zählen Patientinnen und Patienten mit folgenden Erkrankungen:

  • C47.- Bösartige Neubildung der peripheren Nerven und des autonomen Nervensystems
  • C70.- Bösartige Neubildung der Meningen
  • C71.- Bösartige Neubildung des Gehirns
  • C72.- Bösartige Neubildung des Rückenmarkes, der Hirnnerven und anderer Teile des Zentralnervensystems
  • C75.1 Bösartige Neubildung sonstiger endokriner Drüsen und verwandter Strukturen: Hypophyse
  • C75.2 Bösartige Neubildung sonstiger endokriner Drüsen und verwandter Strukturen: Ductus craniopharyngealis
  • C75.3 Bösartige Neubildung sonstiger endokriner Drüsen und verwandter Strukturen: Epiphyse [Glandula pinealis] [Zirbeldrüse]
  • C75.4 Bösartige Neubildung sonstiger endokriner Drüsen und verwandter Strukturen: Glomus caroticum
  • C75.5 Bösartige Neubildung sonstiger endokriner Drüsen und verwandter Strukturen: Glomus aorticum und sonstige Paraganglien
  • C75.8 Bösartige Neubildung sonstiger endokriner Drüsen und verwandter Strukturen: Beteiligung mehrerer endokriner Drüsen, nicht näher bezeichnet
  • C80.0 Bösartige Neubildung, primäre Lokalisation unbekannt, so bezeichnet
  • Primäre ZNS-Lymphome
  • C83.3 Diffus großzelliges B-Zell-Lymphom
  • D32.- Gutartige Neubildung der Meningen
  • D33.- Gutartige Neubildung des Gehirns und anderer Teile des Zentralnervensystems
  • D35.2 Gutartige Neubildung sonstiger und nicht näher bezeichneter endokriner Drüsen: Hypophyse
  • D42.- Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens der Meningen
  • D43.- Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens des Gehirns und des Zentralnervensystems
  • D44.4 Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens der endokrinen Drüsen: Ductus craniopharyngealis

Behandlungsumfang und Abrechnung:

Die abrechenbaren Leistungen wurden durch den Gemeinsamen Bundesausschuss abschließend definiert (sog. „Appendix). Den Appendix finden Sie im Beschlusstext ab Seite 9.

Darüber hinaus wurden weitere Leistungen in den Behandlungsumfang aufgenommen, die bislang noch nicht Bestandteil des EBM sind:

  • PET bzw. PET/CT mit radioaktiven Aminosäuren, z. B. O-(2-[18F]Fluoroethyl)-L-Tyrosin Positron Emissions Tomographie (18F-FET PET) bei malignen Gliatumoren, insbesondere Glioblastomen und unklaren Befunden im MRT:
    • zur Differenzierung von posttherapeutischen Veränderungen und Tumorgewebe und
    • zur Sicherung eines Tumorrezidivs
  •  
  • PET bzw. PET/CT mit F-18-Fluorodesoxyglukose
    • bei neuroendokrinen Tumoren einschließlich bösartiger Neubildungen der Neuralleiste (Paragangliome) zur Ausbreitungsdiagnostik vor einer kurativ intendierten Behandlung oder bei Verdacht auf ein Rezidiv
    • bei nach konventioneller bildgebender Diagnostik (CT, ggf. auch MRT) primär zerebralem Lymphom zur differenzierten Therapieentscheidung nach Ausschluss extrakranieller Lymphomherde
  •  
  • PET; PET/CT (mit Somatostatin-Rezeptor-Liganden wie z. B. 68 Ga-DOTATOC oder 68 Ga-DOTATATE) bei neuroendokrinen Tumoren einschließlich bösartiger Neubildungen der Neuralleiste (Paragangliome) zur Ausbreitungsdiagnostik vor einer kurativ intendierten Behandlung oder bei Verdacht auf ein Rezidiv oder zur Erhebung des Rezeptorstatus vor nuklearmedizinischer Therapie
  •  
  • Zusätzlicher Aufwand für die Koordination der Behandlung einer Patientin bzw. eines Patienten mit Tumoren des Gehirns und der peripheren Nerven unter tumorspezifischer Therapie (entsprechend der Kostenpauschale 86512 der Onkologie Vereinbarung (Anlage 7 BMV-Ärzte))
  •  
  • Zusätzlicher Aufwand für die intracavitär oder intravasal applizierte medikamentöse Tumortherapie (entsprechend der Kostenpauschalen 86514 bzw. 86516 der Onkologie-Vereinbarung (Anlage 7 BMV-Ärzte))
  •  
  • Zuschlag für die Palliativversorgung bei progredientem Verlauf der Krebserkrankung nach Abschluss einer medikamentösen Tumortherapie oder Strahlentherapie einer Patientin bzw. eines Patienten ohne Aussicht auf Heilung, insbesondere für die Durchführung eines standardisierten palliativmedizinischen Basisassessments (PBA) zu Beginn der Palliativbehandlung und die Überleitung des Patienten in die vertragsärztliche Versorgung oder weitere Versorgungsformen (z.B. Hospize, SAPV)
  •  
  • Zuschlag für die Palliativversorgung bei progredientem Verlauf der Krebserkrankung nach Abschluss einer medikamentösen Tumortherapie oder Strahlentherapie einer Patientin bzw. eines Patienten ohne Aussicht auf Heilung, insbesondere für die Überleitung des Patienten in die vertragsärztliche Versorgung oder weitere Versorgungsformen (z.B. Hospize, SAPV)
  •  
  • Zusätzlicher Aufwand für die orale medikamentöse Tumortherapie (entsprechend der Kostenpauschale 86520 der Onkologie-Vereinbarung (Anlage 7 BMV-Ärzte))

Im Zusammenhang mit § 137e SGB V definierte besondere Qualitätsanforderungen sind zu beachten.

Die Vergütung erfolgt als Einzelleistungen (kein Budget) zum jeweils regional gültigen Orientierungspunktwert, der bei der zuständigen KV angefragt werden kann.

Mehr zum Thema Behandlungsumfang und Abrechnung


Voraussetzung für Vertragsärztinnen und -ärzte und Krankenhäuser:

Um im Bereich der Tumoren des Gehirns und der peripheren Nerven ambulant spezialfachärztlich tätig zu werden, ist eine Berechtigung notwendig, die durch Anzeige beim zuständigen Erweiterten Landesausschuss erworben werden kann. Dazu sind u.a. folgende Punkte nachzuweisen:

  • Personelle Anforderungen:
    • Tätigkeit in einem interdisziplinären Behandlungsteam (Zusammensetzung siehe unten)
    • Erfüllung von Qualitätsanforderungen von Qualitätsvereinbarungen nach § 135 Abs. 2 SGB V, sofern diese für Leistungen des Behandlungsumfangs zutreffen
  •  
  • Prozessuale Voraussetzungen:
    • Zusammenarbeit mit folgenden Gesundheitsfachdisziplinen und weiteren Einrichtungen:
      • ambulanten Pflegediensten zur häuslichen Krankenpflege (möglichst mit besonderen Kenntnissen in der Pflege onkologischer Patientinnen und Patienten oder der Zusatzqualifikation onkologische Pflege)
      • Einrichtungen der ambulanten und stationären Palliativversorgung
      • Ergotherapie
      • Logopädie
      • Physiotherapie
      • sozialen Diensten wie z.B. Sozialdienst oder vergleichbare Einrichtungen mit sozialen Beratungsangeboten

Hierzu bedarf es keiner vertraglichen Vereinbarung.

  • Infrastrukturelle Voraussetzungen:
    • 24-Stunden-Notfallversorgung (Rufbereitschaft) von einer oder einem der folgenden Ärzte:
    • Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie
    • Neurologie
    • Neurochirurgie
  •  
  • Zudem ist Sorge zu tragen, dass:
    • mit der Betreuung beauftragte Pflegefachkräfte mehrheitlich eine staatlich anerkannte Zusatzqualifikation zur onkologischen Pflege besitzen sollen. Sofern die Regelungen einzelner Bundesländer diese Qualifikation nicht vorsehen, ist die entsprechende Erfahrung vorzuweisen.
    • zur Gewährleistung des Behandlungsauftrages jede Patientin und jeder Patient mit einer onkologischen Erkrankung (bei Diagnosestellung vor Einleitung der Primär- oder Rezidivtherapie) in einer interdisziplinären Tumorkonferenz durch ein Mitglied des Kernteams vorzustellen ist, in die alle an der Behandlung beteiligten Fachdisziplinen, mindestens die Fachdisziplinen des Kernteams, eingebunden sind. Ausnahmen hiervon sind in einer SOP (standard operating procedures) festzulegen. Die Teilnehmer und die Ergebnisse der interdisziplinären Tumorkonferenz sind zu dokumentieren.
    • der Patientin und dem Patienten das Ergebnis der Tumorkonferenz mit allen wesentlichen Aspekten zu Risiken, Nebenwirkungen und zu erwartenden Folgen darzulegen ist,
    • die Diagnostik und Behandlungseinleitung zeitnah erfolgt,
    • eine ausreichende Anzahl von Behandlungsplätzen auch für die medikamentöse und transfusionsmedizinische Behandlungen ggf. auch für eine Behandlung am Wochenende und an Feiertagen zur Verfügung steht,
    • für immundefiziente Patientinnen und Patienten geeignete Behandlungsmöglichkeiten und Räumlichkeiten zur Verfügung stehen,
    • eine qualitätsgesicherte Zubereitung der zur intravenösen Tumortherapie benötigten Wirkstoffe erfolgt,
    • eine ggf. tägliche Zubereitung und Entsorgung der tumorspezifischen intravenösen Therapeutika einschließlich der notwendigen Sicherungsmechanismen zum Ausschluss von Verwechslungen von Zytostatikalösungen oder Blutprodukten vorgehalten werden,
    • eine Mikrobiologie, ein hämatologisches Labor mit der Möglichkeit zu zytologischen Blut- und Knochenmarkuntersuchungen mit zytochemischen Spezialfärbungen zur Verfügung steht,
    • Notfallpläne (SOP) und für Reanimation und sonstige Notfälle benötigte Geräte und Medikamente für typische Notfälle bei der Behandlung von onkologischen Patientinnen und Patienten bereitgehalten werden,
    • die Möglichkeit einer intensivmedizinischen Behandlung besteht,
    • stationäre Notfalloperationen möglich sind,
    • den Patientinnen und Patienten industrieunabhängiges, kostenlos erhältliches Informationsmaterial (z.B. „Blaue Reihe“ der Deutschen Krebshilfe, Material der Krebs Selbsthilfeorganisationen) über ihre Erkrankung und Behandlungsalternativen zur Verfügung gestellt wird,
    • eine Registrierung der Patientinnen und Patienten in Krebsregistern entsprechend den Regelungen des jeweiligen Bundeslandes erfolgt.

Interdisziplinäres Team:

  • Teamleitung:
    • Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie
    • Neurologie
    • Neurochirurgie oder
    • Strahlentherapie
  •  
  • Kernteam:
    • Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie
    • Neurologie
    • Neurochirurgie
    • Strahlentherapie
    • Bei endokrinen Tumoren zusätzlich auch: Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie
  •  
  • Berechtigt zur Teilnahme sind neben den Fachärztinnen und Fachärzten für Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie auch Fachärztinnen und Fachärzte im Fachgebiet Innere Medizin mit dem Nachweis der Zusatz-Weiterbildung Medikamentöse Tumortherapie, denen bis zum 31. Dezember 2015 eine entsprechende Zulassung und Genehmigung zur Teilnahme an der Onkologievereinbarung (Anlage 7 Bundesmantelvertrag Ärzte [BMV-Ä]) seitens der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung erteilt wurde.
  •  
  • Hinzuzuziehende Fachärztinnen und Fachärzte:
    • Anästhesiologie
    • Gefäßchirurgie oder Innere Medizin und Angiologie
    • Humangenetik, nur im Zusammenhang mit unter der Konkretisierung genannten Paraganglion-Syndromen mit Beteiligung nervaler Strukturen
    • Innere Medizin und Kardiologie
    • Laboratoriumsmedizin
    • Neuropathologie
    • Nuklearmedizin
    • Orthopädie und Unfallchirurgie
    • Psychiatrie und Psychotherapie
    • Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Psychologische oder Ärztliche Psychotherapeutin oder Psychologischer oder Ärztlicher Psychotherapeut
    • Radiologie mit Schwerpunkt Neuroradiologie
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  • Zusätzlich kann eine Fachärztin oder ein Facharzt für Pathologie benannt werden.
  • Zusätzlich kann eine Fachärztin oder ein Facharzt für Radiologie benannt werden.
  • Eine Fachärztin oder ein Facharzt des interdisziplinären Teams muss über die Zusatz-Weiterbildung Palliativmedizin verfügen.
  •  
  • Mehr zum Interdisziplinären Team in der ASV

Mindestmengen

  • Das Kernteam muss gemeinschaftlich mindestens 50 Patientinnen und Patienten der genannten Indikationsgruppen mit gesicherter Diagnose behandeln.
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  • Zusätzlich ist eine arztbezogene Mindestmenge zu erfüllen:
    • Mindestens eine Fachärztin bzw. ein Facharzt für Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie muss die Betreuung von durchschnittlich 120 Patientinnen und Patienten mit soliden oder hämatologischen Neoplasien pro Quartal und Ärztin bzw. Arzt nachweisen,
      • darunter 70 Patientinnen und Patienten, die mit medikamentöser Tumortherapie behandelt werden,
      • davon 30 mit intravenöser oder intrakavitärer oder intraläsionaler Behandlung
    • oder mindestens eine Fachärztin bzw. ein Facharzt einer anderen Arztgruppe des Kernteams muss die Betreuung von durchschnittlich 80 Patientinnen und Patienten mit soliden Neoplasien pro Quartal und Ärztin bzw. Arzt nachweisen,
      • darunter 60 Patientinnen und Patienten, die mit antineoplastischer Therapie behandelt werden,
      • davon 20 mit intravenöser oder intrakavitärer antineoplastischer oder intraläsionaler Behandlung
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  • Die Mindestmengen sind während der ASV laufend nachzuweisen. Im ersten Jahr der ASV-Berechtigung kann eine Unterschreitung um max. 50 % erfolgen.
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  • In den 12 Monaten vor Anzeige beim Erweiterten Landesausschuss sind die o.g. Mengen zu mindestens 50 % nachzuweisen.
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  • Für die Berechnung ist die Summe aller im Rahmen der ambulanten oder stationären Versorgung, der besonderen Versorgung nach § 140a SGB V oder einer sonstigen, auch privat finanzierten Versorgungsform behandelten Patientinnen und Patienten heranzuziehen.

Sektorenübergreifende Kooperation:

Bei onkologischen Indikationen ist zusätzlich zum interdisziplinären Team eine Kooperation mit dem jeweils anderen Sektor (ambulant / stationär) notwendig (so genannte „ASV-Kooperation“). Hier gelten die Regelungen aus dem allgemeinen Teil der ASV-Richtlinie.

Mehr zur sektorenübergreifenden Kooperation